Chronik – Vom zweiten Weltkrieg bis zum 100jährigen Jubiläum
War es, nach den Schrecken des totalen Krieges, den Beschränkungen, Verbiegungen der Massen-Diktatur, diese Sehnsucht nach den hermlosen Freuden, die, nach Walser die wahren Freuden sind, war es der Wunsch in der Natur – nur sie war ja einigermaßen heil geblieben – sich wiederzufinden, die dem Schwäbischen Albverein neue Impulse gab, ihm junge, idealistisch gesinnte Menschen zuführte, die in der Gemeinschaft Miteinander, Geselligkeit, ein neues Leben suchten? Wer wiß es, wer kann es fünfzig Jahre später nachempfinden? Jedenfalls nahm die Vereinsarbeit, sobald sie wieder erlaubt war, einen erfreulichen Aufschwung.
Natürlich stand auch jetzt wieder das Wandern im Zentrum der Aktivitäten. Mit der Wiederherstellung der öffentlichen Verkehrsverbindungen nach Krieg und Zerstörung konnten wieder Wanderungen auf der Schwäbischen Alb unternommen werden. Bevorzugte Ziele waren die Kirchheimer, die Geislinger, die Blaubeurener und die Ostalb. Der Grund: Man musste sich möglichst in der amerikanischen Zone (nördlich der Autobahn Stuttgart – München) aufhalten, denn für den Wechsel in die französische Zone (Südwürttemberg – Hohenzollern) brauchte man Passierscheine, und die waren nur schwer zu bekommen.
Man packte also seinen Rucksack – in Gaststätten war angesichts der allgemeinen Warenknappheit noch wenig zu bekommen – und fuhr mit dem Zug Richtung Alb. Das Zugfahren war nicht bequem, denn die Züge waren meist überfüllt (die Städter fuhren zum „Hamstern“ aufs Land) und mit einer Gruppe fand man oft nur noch auf den Trittbrettern der Waggons Platz. Dem Spaß tat dies jedoch keinen Abbruch.
Urlaub war in jenen Jahren noch nicht der Deutschen liebste Freizeitbeschäftigung und so waren die jährlichen Ferienwanderungen sehr willkommen und fanden wachsenden Zuspruch. Nicht zuletzt die dreitägigen Pfingstwanderungen, die von 1947 bis 1969 jährlich durchgeführt wurden, waren sehr beliebt. Waren 1947 von Weißenstein nach Gerstetten noch 16 Teilnehmer fast unter sich, so nahmen an der Pfingstwanderung 1949 vom hohenzollern über das Nägelehaus zum Dreifürstenstein die Rekordzahl von 57 Wanderfreunden teil – neben dem wieder erstarkten Vereinsleben vielleicht auch eine Reaktion auf die inzwischen gefallenen Grenzpfähle der Besatzungszonen.
1949 – Gründung einer Jugendgruppe
Ein wesentlicher Meilenstein auf dem eigenen weg der Ortsgruppe Nellingen des Schwäbischen Albvereins wurde die Gründung einer Jugendgruppe im Jahre 1949. Sie stellte den Verein auf eine neue Basis, sorgte für Zusammenhalt und frischen Wind. Anlass dazu war der besuch des Jugendleitertreffens auf dem Roßberg bei Gönningen, bei welchem Martin und Günter Aichele mit einer Schar Jugendlicher angwesend waren. Sie wurden vom Vereinsvorsitzenden Direktor Georg Fahrbach dabei persönlich angesprochen und aufgefordert, eine solche zu gründen. Die Jugendgruppe wurde durch die laufenden Neueintritte so belebt, dass bald eine stattliche Zahl an Mitgliedern vorhanden war. Aus dieser entstand später eine Handharmonika- sowie eine Volkstanzgruppe. So konnte beim 50jährigen Jubiläum schon wieder mit Optimismus in die Zukunft geblickt werden.
Die jungen Wanderfreunde fanden sich zusammen zu Volkstänzen, Theaterstücke (für den Familienabend) wurden geprobt, die Handharmonikagruppe sorgte für musikalische Einlagen. Viele erinnern sich gern und mit Vergnügen an schwäbische Theaterstücke wie „D Maientour“, „Kuchalbfranzel“, „Dr neu Bolezei“, oder die „Försteranni“.
Fehlende Übungsräume stellten freilich immer ein Problem dar (und verursachten Kosten). Die Volkstanz- Übungsabende fanden in den Gasthäusern Germania, Krone und Herzog Karl statt. Theaterproben im Gasthaus Rössle. Kulissen für die Aufführungen bastelte die Jugendgruppe selbst. Für die Trachten der Volkstanzgruppe wurde (in Köngen) preiswerter Stoff eingekauft, und die Mädchen schneiderten ihre Kleider selbst. Die Burschen besorgten sich Lederhosen und weiße Hemden.
1950 war es dann soweit: Die Jugendgruppe wurde beim Stuttgarter Hauptverein angemeldet. Beim Kinderfest und beim Familienabend 1950 konnte die Volkstanzgruppe schon mit zwölf Paaren auftreten. Erster Jugendleiter wurde Martin Aichele, sein Stellvertreter und Leiter der Volkstanzgruppe Günter Aichele. Sie fanden viel ideelle und auch materielle Unterstützung, zum Beispiel für den Bau der attraktiven Festwagen, die zu den beliebten Gemeindekinderfesten mit ihren bunten Umzügen gebaut wurden. Die Festwagen standen immer unter einem Motto: „Plochinger Aussichtsturm“, „Dort unten an der Mühle“, „Der Fliegenpilz“, „Lichtenstein“ oder „Dorfschmiede“.
Die zahlreichen Anschaffungen und der Bau der Festwagen kosteten viel Geld und die damaligen Mitglieder der Jugendgruppe erinnern sich noch heute dankbar an die finanzielle Unterstützung, die sie von dem langjährigen Mitglied Mechaniker-Meister Albert Maier erfuhren. Ohne solche „Sposonren“ wäre jugendarbeit damals kaum möglich gewesen. In den fünfziger und sechziger Jahren gewann der Schwäbische Albverein, nicht zuletzt durch die Aktivitäten der Jugendgruppe, weiter an Beliebtheit. Dazu trug auch bei, dass dem Verein zwei neue Begegnugsstätten zuteil wurden:
1959 – Übernahme der AV-Wiese im Gewand Mühlhalde
1959 wurde oberhalb der Wörnitzhäuser Mühle von der Gemeinde mit Pachtvertrag eine Wiese übernommen. Sie wurde mit einer Buchenhecke begrenzt. Forchen, Birken und Tannen wurden gepflanzt und in ihrem Schatten einige Bänke aufgestellt. Später kam eine Feuerstelle hinzu. Die Albvereinswiese hat viele schöne Feste gesehen, große (manchmal auch verregnete) Sommerfeste, Sonnwendfeiern oder auch nur Zusammenkünfte kleinerer Gruppen von Vereinsmitgliedern, getreu der Aufforderung von Hermann Hesse an einen Wanderer: „Setze dich nieder, wo du willst, auf Mauer, Fels oder Baumstumpf, auf Gras oder Erde: überall umgibt dich ein Bild und Gedicht, überall klingt die Welt um dich her schön und glücklich zusammen.“
1963 – Übernahme des Vereinsheims in der Otto-Schuster-Straße
1963 konnte in der alten Turnhalle in der Otto-Schuster-Straße, nachdem es die Jugendgruppe selbst ausgebaut hatte, ein eigenes Vereinsheim eingeweiht werden. Damit ging ein langersehnter Wunsch in Erfüllung. Die Übungsabende konnten jetzt in eigenen Räumen stattfinden – eine wesentliche Erleichterung und ein weiterer Impuls für das Vereinsleben. Hier haben zahllose Gruppenabende, viele Vorbereitungen und nicht zuletzt Geselligkeiten aller Art stattgefunden, die dem Verein festen Zusammenhalt gegeben haben. Dies drückte sich nicht zuletzt in einem stetigen Anwachsen der Mitgliederzahl aus, und so konte Vertrauensmann Karl Krämer am Familienabend 1964 stolz einen Mitgliederstand von 225 Wanderfreunden melden.
Die Nellinger Ortsgruppe hinterlies nun in wachsendem Maße Spuren auch außerhalb ihre primären Aufgabengebiets: der Förderung des Wanderns, der Erhaltung der Natur und der Pflege der Geselligkeit. Sie beteiligte sich am kulturellen Leben der Gemeinde, etwa durch die Mitwirkung bei Festen, durch Hilfe bei Wald- und Wiesenputzeten; nicht zuletzt engagierte sie sich bei der Organisation und Durchführung von Altenwanderungen, deren Erfolg sich an hohen Teilnehmerzahlen ablesen lässt.
Zuweilen sind über hundert Anmeldungen im Briefkasten an der alten Turnhalle eingeworfen worden.
1971 – Nachmittagswanderungen für ältere Mitbürger
1977 – Eintritt in den Vereinsring Nellingen
1980 – Einweihung „Rundwanderweg Ostfildern“
1982 – Einweihung „Nellinger Steig“ im Passeiertal / Südtirol
Die Welt ist kleiner geworden und so wurden auch Verbindungen zu Heimate- und Wanderfreunden im Ausland geknüpft. Schon traditionell ist die Freundschaft zwischen dem Südtiroler Alpenverein und den Nellingern, augenfällig geworden beim Bau eines Teilstücks des Meraner Höhenwegs, der von den Mitgliedern der Ortsgruppe mit einem vierstelligen Betrag unterstützt wurde. Das fünfährige und das zehnjährige Bestehen 1987 und 1992 konnte mit dem Besuch einer größeren Gruppe von Wanderfreunden aus Nellingen begangen werden. Auf einer Erinnerungstafel ist dort zu lesen:
„Als Zeichen der Verbundenheit mit dem Alpenverein Südtirol hat der Schwäbische Albverein, Ortsgruppe Nellingen, mit Spenden von Mitbürgern und Mitgliedern die Teilstrecke Mafatz – Ulfass des Meraner Höhenwegs finanziell unterstützt. Dieser Höhenweg soll jedem Wanderer inmitten der Bergwelt Ruhe und Erholung in Frieden und Freiheit bringen.“
– St. Martin, Mai 1982 –
1987 – Gründung der derzeitigen Volkstanzgruppe
Im Jahre 1987 wurde die derzeitige Volkstanzgruppe der Ortsgruppe Nellingen von neun Paaren ins Leben gerufen, die in führeren Jahren in der Kinder-, Schüler- und Jugendgruppe aktiv waren.
In 14tägigen Treffen im Vereinsheim wurden in eigener Regie Volkstänze und Lieder einstudiert. Entsprechend der Jahreszeit wurden gemeinsame Unternehmungen wie Wandern, Zelten und Skifahren organisiert.
1988 – Aufstellung einer Ruhebank am Edweg anlässlich des 90jährigen Jubiläums
1998 – Feier des 100jährigen Jubiläums
Mit ganz besonderer Befriedigung und Dankbarkeit ist schließlich die Vielfalt der Bemühungen in der Jugendarbeit, die Kindern und jungen Menschen Halt und Orientierung geben sollen, zu bewerten. Die Arbeit und gesellschaftliche Bedeutung der Ortsgruppe Nellingen findet in der Bevölkerung Anklang und Anerkennung. Dies zeigt sich nicht zueletzt daran, dass im Jahr ihres 100jährigen Bestehens die Ortsgruppe mit 428 Mitgliedern ihr Jubiläum feiern und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken kann. Drei Frauen an der Vereinsspitze wollen mit allen mitarbeitern und Mitgliedern und der ganzen Bevölkerung mit einem großen Fest das zweite Jahrhundert der Vereinsgeschichte beginnen, in der Hoffnung auf Frieden und Freiheit als Grundlage einer gesunden Vereins-Zukunft.